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Anverwandlungen
Johann Sebastian Bach – Felix Mendelssohn-Bartholdy
Welche Entwicklungsmöglichkeiten birgt das Gesetz einer musikalischen Idee über das Niedergeschriebene hinaus? Was hätte Bach an Mendelssohn gefunden? Wie wäre ihre Beziehung erklungen, hätten sie einander zum Extempore über ihre Kompositionen angeregt?

Unter solchen Fragestellungen erschließe ich mir die Musik J. S. Bachs und Felix Mendelssohn-Bartholdys durch anverwandelnde Improvisation.
Dabei geht es mir nicht darum, die Werke zu verfremden oder gar zu "toppen", sondern um Empathie, Solidarität und Beteiligung.
Wenn ich mir eine Musik nicht zu eigen gemacht habe, so, dass sie (auch) von mir sein könnte, kann ich sie nicht spielen. Wenn ich es aber dahin gebracht habe, finde ich täglich andere Formulierungen für das, was wir sagen wollen.

Meinen kritischen Hörern und Spielgefährten möchte ich dafür das Wort historische Aufführungspraxis an die Hand geben: es war einmal gewünscht und üblich, dass Interpreten mit dem Vorgeschriebenen schöpferisch umgingen und über die vorgetragenen Werke phantasierten, sie nicht nur spielten, sondern mit ihnen spielten.

Man ging zu einer Schubertiade, um etwas Unerhörtes zu erleben und um sich an der Entstehung eines Kunstwerkes zu beteiligen.
Kaum je hätten Musiker damals sich selbst verleugnet und Noten gespielt, ohne ins Feuer der Begeisterung zu geraten.
Was bringt uns eigentlich auf die Idee, dass es so etwas gibt wie eine ewig-gültige, beste oder gar einzige Lösung einer kompositorischen Fragestellung?
Theaterstücktexte werden doch auch, mal nach Herzenslust, mal nach Laune modernisiert, im Dialekt gesprochen, gekürzt oder verballhornt, jedenfalls gedeutet.
Wie steht es um die zeitgenössische Musikübung und ihren Mut dazu?
Wieso ist die Angst, etwas falsch zu machen, so oft so viel größer?
Wieso steht nicht Evolution im Mittelpunkt unseres musikpädagogischen Interesses, sondern Fertigkeit? Was kann uns am Fertigen überhaupt noch gelegen sein?
Warum streben wir Genossen unserer Zeit, in der so vieles fertig, aber unzulänglich ist, nicht längst ganz anderen Ufern entgegen?

Michael Gees, Frühjahr 2014


J. S. Bach: Partita B-Dur, BWV 825
 
F. Mendelssohn-Bartholdy, aus Lieder ohne Worte:
op. 30, Nr. 2, b-moll
op. 67, Nr. 3, B-Dur
op. 30, Nr. 5, D-Dur

J. S. Bach, aus Notenbüchlein für Anna-Magdalena Bach:
Menuet
Menuet
Musette
Marche
Polonaise

Pause

F. Mendelssohn-Bartholdy, aus Lieder ohne Worte:
op. 102, Nr. 3, C-Dur
Neue Liebe (Heine), op. 19, Nr. 4
Nachtlied (Eichendorff), op. 71, Nr. 6
       
J. S. Bach: Präludium und Fuge cis-moll, BWV 849

F. Mendelssohn-Bartholdy, aus Lieder ohne Worte:
op. 102, Nr. 5, A-Dur
op. 53, Nr. 6, A-Dur

Alle Titel mit Extempores



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